Amtsgericht Münster, Urteil vom 23.11.1994 (29 C
517/94), DAR 95, 165
Art. 3, 6 EGBGB; Art. 1,6 EuGVÜ (Keine
Parkgebührenansprüche aus NL in D)
Da es sich bei der Forderung von
Parkraumbenutzungsentgelt einer niederländischen Gemeinde um eine
(öffentlich-rechtliche) Steuerforderung handelt, kann diese gegenüber einem
deutschen Kfz-Halter mangels funktionaler Zuständigkeit deutscher Gerichte in Deutschland
nicht durchgesetzt werden. (Leitsatz
der Redaktion)
AG Münster, Urteil vom 23.11.1994 (29 C 517/94)
Sachverhalt:
Der Beklagte war Halter des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen MS-. Mit
diesem befand er sich im Juli 1992 mit seiner Familie auf einer Urlaubsreise in
den Niederlanden.
Die Klägerin behauptet, das Fahrzeug sei am 29.7.1992
auf einem Parkplatz der klagenden Gemeinde Zijpe abgestellt worden, ohne dass
das notwendige Parkraumbenutzungsentgelt zuvor entrichtet worden sei. Es sei ein
Bescheid am Fahrzeug des Beklagten angebracht worden, mit dem die
Tagespauschale von 66,50 Hfl. in Rechnung gestellt worden sei. Die Höhe dieses
Entgeltes ergäbe sich aus Artikel 276a Gemeentewet in Verbindung mit der von
der Gemeinde erlassenen Entgeltordnung. Aus Artikel 276a Abs. 5 Gemeentewet
ergebe sich die Halterhaftung. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die niederländische
Gesetzgebung nach Artikel 28 Abs. 1 EGBGB auf den Sachverhalt Anwendung fände,
da die engsten Verbindungen des Sachverhaltes zu den Niederlanden bestünden,
denn es sei ein Vertrag in den Niederlanden geschlossen worden. Weiter
behauptet die Klägerin, der Beklagte sei unter dem 24.9.1993 gemahnt worden.
Nachdem keine Reaktion des Beklagten erfolgte, nahm
die Klägerin unstreitig die Hilfe des Gerichtsvollzieherbüros B. in Anspruch.
Dieses fertigte ein mit "Dwangbevel" bezeichnetes Schriftstück aus,
in dem neben der Tagespauschale von 66,50 Hfl. auch vorgerichtliche Mahnkosten
der Gemeinde Zijpe in Höhe von 10,00 Hfl. sowie Kosten der Inanspruchnahme des
Gerichtsvollzieherbüros B. in Höhe von 50,00 Hfl. enthalten waren. Diesen
"Dwangbevel" stellten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin dem
Beklagten unter dem 6.4.1994 zu. Darauf zahlte der Beklagte einen Betrag von 60
DM, was einem Betrag von 66,50 Hfl. entspricht.
Der Beklagte bestreitet, zu der fraglichen Zeit ein
Parkvergehen begangen zu haben und bestreitet mit Nichtwissen, dass ein
Familienmitglied ein Parkvergehen begangen habe und dass an dem Fahrzeug ein
Nacherhebungsbescheid in Höhe von 66,50 Hfl. angebracht worden sei.
Er bestreitet außerdem, ein Mahnschreiben der
Gemeinde Zijpe erhalten zu haben. Von der Forderung habe er erst durch das
seitens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellte Schreiben vom
6.4.1994 erfahren. Die Zahlung von 60 DM sei ohne Anerkennung einer
Rechtspflicht erfolgt, um den Vorgang wegen des geringfügigen Betrages zum
Abschluss zu bringen.
Der Beklagte rügt die funktionale Zuständigkeit des
Gerichtes und erhebt die Einrede der Verjährung.
Aus den Gründen: Die Klage ist unzulässig.
Die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ergibt
sich aus der Art des geltend gemachten Anspruches.
Eine funktionale Zuständigkeit der deutschen
Gerichtsbarkeit für die Durchsetzung von Ansprüchen, die aus dem öffentlichen
Recht eines anderen Staates entstehen, ist nicht gegeben (Geimer,
Internationales Zivilprozessrecht, 2. Auflage 1993, Rdnr. 1975 f.; Kegel,
Internationales Privatrecht, 6. Auflage 1987, § 23 I 1.)
Eine internationale Zuständigkeit des Gerichtes
ergibt sich auch nicht aus Artikel 6 des Brüsseler EWG-Übereinkommens über die
gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen
in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ). Dieses ist nach Artikel 1 Abs. 1 Satz 2
nicht auf Steuer- und Zollsachen anwendbar, im übrigen handelt es sich
vorliegend auch nicht um eine gerichtliche Entscheidung.
Die mit der Klage geltend gemachten Mahnkosten sind
solche der Steuereintreibung und mithin als Ansprüche aus öffentlichem Recht
anzusehen. Denn bei der zugrunde liegenden Forderung handelt es sich nach dem
maßgeblichen niederländischen Recht um eine Steuerforderung. Dies ergibt sich
bereits aus dem Wortlaut des Artikels 276a Abs. 1 Gemeentewet (Gemeindegesetz).
Hier heißt es in Übersetzung:
1. Im Rahmen der Parkregulierung können die folgenden
Steuern erhoben werden:
a) eine sachliche Besteuerung des Parkens eines
Fahrzeuges auf durch Steuerverordnung oder Kraft der Steuerverordnung in den
darin angeführten Fällen durch "Burgemeester en wethouders" zu
bestimmenden Plätzen, Zeitabschnitten und Art und Weise;
(...)
Dies verkennt die Klägerin, die das niederländische
Wort "belasting" (=Steuer) unrichtig mit "Entgelt"
übersetzt.
Auch aus der Entstehungsgeschichte der Gemeentewet
ergibt sich, dass es die Intention des niederländischen Gesetzgebers war, durch
die Erhebung einer sachlichen Steuer das Parkverhalten der Bürger im Sinne
einer gesetzeskonformen Parkraumbenutzung positiv zu beeinflussen.
Die Klägerin entstellt den Sinn der
Entstehungsgeschichte der Gemeentewet, wenn sie aus dem Kommentar "Van
Luenen: De Gemeentewet en haar toepassing" (Misset Uitgeverij, 1992) die
Kommentierung zu Art. 276a Rdnr. 22-28 wie folgt übersetzt (Anlage zur Klageschrift,
Blatt 28 der Akten):
Es geht hierbei um eine zufriedenstellende, mit
fiskalen Instrumenten sichergestellte Einforderung der gewünschten
Parkplatzgebühr.
Richtig muss diese die gesetzgeberische Intention
erläuternde Stelle lauten:
Es geht hierbei um ein vollständig mit fiskalen
Instrumenten bewirktes Fördern des gewünschten Parkverhaltens.
Es handelt sich auch nicht um einen durch
sozialtypisches Verhalten geschlossenen Vertrag. Durch das Einstellen des
Fahrzeuges erfolgt kein Vertragsschluss, sondern ein Unterwerfen unter die
gesetzlich vorgesehene Besteuerung. Denn durch die steuerliche Ausgestaltung
des Verhältnisses bei der Parkraumbenutzung wird ein Verhalten, nämlich das
Abstellen eines Fahrzeuges auf entsprechend gekennzeichneten Plätzen,
besteuert. Dabei bestimmt sich die Höhe der Steuer u.a. nach der Parkdauer.
Diese Steuer ist, durch Bedienung eines Parkautomaten, vorab für einen
bestimmten Zeitraum zu entrichten. Sofern der Parkende seine Absicht, nur kurz
zu parken, nicht durch Vorabentrichtung der Steuer und das Auslegen eines
entsprechenden Beleges im Fahrzeug kundtut, wird die Parksteuer mit einer
entsprechenden Gebühr nacherhoben. Dies war vorliegend der Fall.
Ansprüche, die aus dem öffentlichen Recht eines
anderen Staates fließen, können vor ausländischen Gerichten aber grundsätzlich
nicht durchgesetzt werden, denn einem ausländischen Staat wird zur
Durchsetzung seiner Steuer- und Gebührenforderungen der inländische
Justizapparat nicht zur Verfügung gestellt (BGH in WM 70, 785, 786; Geimer
a.a.O. Rdnr. 1976 m.w.N.; KG in OLGE 20, 91).
(Mitgeteilt von Rechtsanwalt Gensch, Gronau
(D)/Enschede (NL)).